Braucht die EU eine Verfassung?


08.01.2007 - 14.09 Uhr

Die Schweizer Meinung zur EU-Verfassung

CitizenThree (Pseudonym)

Was Herr Köppel von der Weltwoche klingt auf den ersten Blick sehr logisch und plausibel. Dass nur Staaten eine Verfassung bräuchten und die EU kein Staat sei, nicht einmal ein Staatenbund. Dass ihre Finalität unklar sei und erst recht ihre Grenzen. Dass die EU eine Regierung sei, die sich eine Nation zu geben versuche. Dass kaum ein EU-Bürger wisse, wo die Gesetze gemacht würden.

Aber: Weiss denn ein Deutscher, ein Franzose, ein Spanier wo seine nationalen Gesetze gemacht werden? Und waren die Staatsgrenzen Frankreichs, Deutschlands, Polens stets final? Und stimmt es, dass nur Nationen sich Regierungen geben können?

All diese Argumente leuchten nicht mehr so sehr ein, nimmt man einmal Beispiele aus der Geschichte zur Hand. Zum Beispiel die Schweiz.

Den modernen Schweizer Staat, wie wir ihn heute kennen, würde es nicht geben, hätte er nicht unter äusserem Druck eine Verfassung erhalten müssen. Die stolzen Schweizer haben sich ihren ersten Staat und dessen Verfassung trotz direkter Demokratie nicht selbst gegeben. Auf französischem Druck erst überwand die Schweiz die mittelalterlich organisierte Alte Eidgenossenschaft und erhielt eine föderale Republik, dessen Verfassung in der Mediationsakte von 1803 festgehalten ist. Es folgten ein Staatenbund und 1848 erst dann ein Bundesstaat mit einer selbst gegebenen Verfassung.

Doch selbst zu dem Zeitpunkt der Verfassungsgebung 1848 war die Schweiz keinesfalls ein "finaler" Staat. Weder waren dessen innere Grenzen (siehe Kanton Jura) final, noch der Streit um die Wahl der Hauptstadt beigelegt. Vor der Bundesstaatswerdung rotierte die Tagsatzung in den drei Vororten Luzern, Bern und Zürich. Das allein kommt uns reichlich europäisch vor. Doch der Streit und das Ende desselben könnten nicht besser in einen europäischen Rahmen passen: Bern wurde Sitz der Regierung aber nicht als Hauptstadt sondern als "Bundesstadt". Die Parallelen zur Strassburger/Brüssler EU sind nicht zu verkennen und niemand kennt sich deshalb so gut mit Föderalismus aus, wie die Schweizer. Aber es sind nicht ihre guten wie schlechten Erfahrungen mit dem Föderalismus, die sie an der EU verzagen lassen. Es ist ihr ewiger Trotz und Unwille zur Veränderung, der die Schweizer von der EU abhält.

Und dabei gehen für Schweizer und alle europäischen Bürger wichtige alltägliche Dinge verloren. Rechtssicherheit über die Staatsgrenzen hinaus, ist noch immer ein unerreichtes Ziel. Wer nur Geschäfte treibt, hat hier noch relativ gute Karten, aber wer es wagt über Landesgrenzen hinweg zu heiraten, Familien zu gründen, zu arbeiten und Steuern zu bezahlen bekommt die ganze Unsinnigkeit zweier inkompatibler Bürokratien zu spüren. Es ist nicht die "europäische Bürokratie", die uns Bürgern das Leben schwer macht, es sind die vielen kleinen, eifersüchtigen Nationalbürokratien, die Europa so unerträglich erscheinen lassen.

Längst nämlich übernehmen die Staaten der Europäischen Union Gesetze und Normen, aus dem EU-Parlament, aber nur dort, wo sie sich in ihrem Souverän nicht angegriffen fühlen. Warum stellt man all das nicht unter ein Dach der Verfassung?

Eine EU Verfassung schafft den Rahmen für eine harmonisierte Gesetzgebung und es braucht definitiv keinen Staat dazu.




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