Braucht die EU eine Verfassung?


28.12.2006 - 10.40 Uhr

Was will die EU eigentlich werden?

Leopold (Pseudonym)

Es wundert mich sehr, woher Frau Bundeskanzlerin Merkel das Mandat ableitet, während der Deutschen EU Präsidentschaft an einer Wiederbelebung des Verfassungsprozesses zu arbeiten.

Ich hege weiter die starke Vermutung, dass falls es eine Volksabstimmung in Deutschland zu diesem Thema gäbe, die Verfassung von den Deutschen ebenfalls abgelehnt werden würde.

Natürlich ist es notwendig der EU und vor allem der erweiterten EU ein Regelwerk zu geben, mit dem Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden können, ohne von Einstimmigkeit abhängig zu sein. Aber die Ablehnung des Verfassungsprozesses rührt daher, dass die Bevölkerung extrem verunsichert ist, ob es hier nicht zu einer weiteren Entmachtung der nationalen Legistlativen zugunsten der Exekutiven kommen wird und somit die Themen sowohl als auch die Entscheidungen über diese immer weiter von der Bevölkerung und der Diskussion in dieser entfremdet werden. Es wird heute schon so viel aus Brüssel reguliert, dass wir uns immer wieder an den Kopf fassen und fragen, warum wollen wir dieses Problem, welches wir nicht haben wollten eigentlich lösen?

Warum müssen uns Dieselfeinstaubfilter aufoktruiert werden, wenn es darüber keine ordentliche Debatte in Deutschland gegeben hat? Warum mündet das in plötzliche Fahrverbote in unseren Städten?
Warum müssen wir in Deutschland ein Gleichbehandlungsgesetz haben, wenn vorher kein Hahn danach krähte? Warum brauchen wir ein Gesetz zum Nichtraucherschutz und ein allgemeines Rauchverbot? (Wenn Rauchen tatsächlich als so schädlich angesehen wird, dann sollten wir es ganz verbieten)
All diese Themen kommen plötzlich auf uns zu und müssen umgesetzt werden ohne das es hierzulande einen ordentlichen und öffentlichen Willensbildungsprozess gegeben hätte und man könnte noch unendlich mehr Beispiele anführen.

All dies mag vielleicht wirklich wichtig sein und die Entscheidungen die daraus erfolgt sind mögen auch gut gewesen sein, es sieht aber für uns Normalbürger so aus, als wären sie in einem undemokratischen Prozess quasi am Bürokratenschreibtisch erfolgt und uns dann auf Gedeih und Verderb aufgestülpt worden.

Hier liegt der wahre Kern des Mistrauens der Bevölkerung begraben. Die Europäische Union muss sich überlegen was sie sein will, oder werden möchte. In den 70ern träumten viele Leute in Westdeutschland von einem Europäischen Bundesstaat. Die Vereinigten Staaten von Europa waren das Idol dem wir alle europabegeistert folgten. Es wurde das EU Parlament gegründet und es wird direkt von der Bevölkerung gewählt, das es ohne wirkliche Macht ist, war uns damals als ein nur anfänglicher Zustand versprochen worden; es wurden die Grenzen abgeschafft; es wurde eine gemeinsame Währung eingeführt... (all diese Dinge begrüße ich aufs Äusserste) und jetzt sagt jeder, dieser Prozess war nur ein Traum und ist tot.

Ja aber was will die EU dann werden? Etwa eine Pannationale Organisation zum entmachten aller Legislativen zugunsten von Exekutiven?
Nu eine Freihandelszone? Dann aber schleunigst zurück mit der Regelungswut.
Oder was?
So lange es keine befriedigende Antwort auf diese Frage gibt, kann es keine Wiederbelebung des Verfassungsprozesses geben. Es kann auch keine Erweiterung mehr geben. In der Tat stellt sich hier die Existenzfrage der EU.

Wird es vielleicht in der Zukunft auch Austritte geben? Werden die Britten vielleicht sagen, ein Prozess zu einem Staatenbund oder einem Bundesstaat ist für uns unvorstellbar und deshalb müssen wir austreten, weil wir daran nicht teilnehemen können? Und was für die Britten recht ist sollte für uns nicht vielleicht billig sein?

Wie gesagt, ohne Neubestimmung was die EU ist und was sie werden will können wir im Moment nicht weitermachen, weil sonst die EU in den Augen der Bürger ein Feindbild wird und nicht etwas das sehr erstrebenswert ist.




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