Braucht die EU eine Verfassung?


01.04.2007 - 22.20 Uhr

Pragmatisch vorgehen in einer pragmatischen Konstruktion

Christian Greim

Ich möchter Herrn Schaller ausdrücklich zustimmen und noch ein paar Argumente hinzufügen. Ein kluger Kopf hat mal gesagt, dass Europa eben nicht die Kathedrale ist, die die Politik gebaut hat, sonder eher wie der Flughafen Heathrow, es wurde ständig erweitert modernisiert und umgebaut, je nach Bedarf. Die Sache sieht zwar nicht schön aus, aber sie funktioniert.

Also am besten vom Problem her fragen, was brauchen wir, damit Europa trotz der vielen neuen Mitglieder handlungsfähig bleibt? Im Kern sind das die Regeln für die Abstimmungen, die meiner Meinung nach im Verfassungsentwurf ausgesprochen bürgerfreundlich und fair geregelt sind. Das brauchen wir ganz dringend. Wünschenswert wäre noch der nicht so genannte Außenminister.Die Fachleute mögen noch weitere kleine Punkte hinzufügen.

Diesen bereits weitgehend erzielten Konsens könnte man in ganz bewusster Schlichtheit "Europäische Geschäftsordnung" nennen und damit arbeiten. Mit einer solchen Bezeichnung wird nichts präjudiziert. Und in Zukunft kann frei weiterentwickelt werden, was die EU sein möchte. Staatenbund, Bundesstaat oder, was am wahrscheinlichsten ist, etwas völlig neues. Es wäre in diesen politisch sehr unklaren Zeiten sehr vermessen zu glauben, man könne jetzt einschätzen, wie dieses Projekt in 20 Jahren aussehen soll.

Wie eine Vertragsgrundlage bezeichnet wird, ist letztlich egal. Die Bundesrepublik ist recht lange und gut ohne Verfassung aber mit einem Grundgesetz ausgekommen. Der Fall hier läge aber insofern anders, als dass man momentan wirklich noch nicht sagen kann, ob sich eine "Geschäftsordnung" zu einer Art Verfassung entwickelt oder ob sie das bleibt, was sie ist. Vielleicht könnte sie auch Vorbild werden für die ASEAN-Staaten, die Afrikanische Union oder für Südamerika. Aber eben nur dann wenn sie nur der Lösung des derzeitigen Entscheidungsfindungsproblems in der EU gewidmet ist, sonst vorerst nichts.

Das wäre dann auch keine Verfassung, müsste nicht so genannt werden, würde aber die derzeitigen Probleme lösen.

Ich persönlich würde mir mehr Integration und weitergehende Rechte für das europäische Parlament und somit mehr Bürgernähe wünschen, aber, siehe oben, Politik ist immer die Kunst des möglichen. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer stärkeren Integration muss bei den derzeitigen Neinsagern selbst reifen. Dazu brauchen sie Zeit. Eine Bevormundung von außen, als welche die Verfassung wohl missverstanden worden ist, erzeugt nur Widerwillen.




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