Meinungen zum Euroblog


13.02.2007 - 11.27 Uhr

Brief an Bundeskanzlerin

Gerd Zelck

G e r d Z e l c k Fachenfelder Weg 129

Dipl. Ing. (FH) 21220 Seevetal

Tel/FAX: 04105/82775

Gerd.Zelck@t-online.de



, den 5. Mai 2006





An das

Bundeskanzleramt



11012 Berlin



gesendet als E- Mail an die Adresse:

internetpost@bundeskanzler.de





Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel!



Anläßlich des Europatags am 11. Mai in Berlin äußerten Sie die Absicht, während der deutschen EU – Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 das Projekt einer europäischen Verfassung vorantreiben zu wollen. Als Bürger unserer Republik, der einerseits Ihre Kanzlerinschaft mit Sympathie und Hoffnungen begleitet, andererseits aber der derzeitigen Konstruktion einer Steuerung der in der Union zusammengeschlossenen Länder Europas kritisch gegenüber steht, möchte ich zu diesem Vorhaben rechtzeitig meine kritischen Gesichtspunkte mit einbringen.



Dürfte ich - wie in anderen demokratischen Ländern selbstverständlich - über die EU – Verfassung mit abstimmen, ich würde sie ebenfalls in ihrer jetzigen Form ablehnen. Dabei akzeptiere ich durchaus das Argument vom Altkanzler Helmut Kohl, daß eine EU den Frieden in Europa sicherer macht. Dazu reicht dann aber ein gemeinsames, abgestimmtes Handeln auf den Feldern der Außenpolitik, Verteidigung, Verbrechensbekämpfung sowie die Sicherung unserer Außengrenzen, um hierbei die wichtigsten Bereiche zu benennen. Auch eine gegenseitige Hilfe bei Notsituationen und eine Kartellaufsicht könnten noch dazu gehören. Nicht aber z.B. die Bereiche Wirtschaft, Agrar und Umwelt. Hier sollte die Kommission die Union nur nach außen gegenüber anderen Großmächten und internationalen Gruppierungen vertreten, nicht aber gleichzeitig nach innen wirken, weil dadurch kontraproduktive Effekte ausgelöst werden, die die Gemeinschaft eher lähmen und für eine unnötige Aufblähung der Bürokratie sorgen. Naturgemäß erfolgt eine Einigung fast immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner und bringt uns insgesamt gesehen gegenüber anderen Gruppierungen in der Welt ins Hintertreffen. Die Eigenschaft bürokratischer Systeme, sich ständig vergrößern zu wollen, ist inhärent im Menschen angelegt und durchaus nicht eine bevorzugt deutsche Eigenschaft. Deshalb darf auf den genannten Gebieten die Möglichkeit für eine Keimbildung zur Bürokratie gar nicht erst gegeben werden, was heißt, die Zuständigkeiten der Kommission hierfür gänzlich zu eliminieren.

Nachfolgend möchte ich einige Punkte etwas näher begründen:



Wirtschaft

Als krasses Negativbeispiel sei hier die Normungswut der Bürokratie genannt. Bei der Findung neuer und besserer Lösungen wird hier, bezogen auf die jeweils herrschenden Bedingungen und Mentalitäten in den Ländern zwischen Polarkreis und Gibraltar, die Kreativität gelähmt oder gar gänzlich unterbunden. Erst ein gesunder Wettbewerb untereinander weckt die Vorteile, die in den Mentalitätsunterschiede der zusammengeschlossenen Völker schlummern und die uns fit machen können gegenüber der Konkurrenz außerhalb der Grenzen. Die Vielfältigkeit in Europa zu nutzen muß das Ziel sein und nicht, diese zu vereinheitlichen und gleichzumachen, womöglich noch mit dem Ziel auf eine Einheitssprache hin. Das, was Europa so reizvoll macht und Touristen aus der ganzen Welt zur Wiege des Abendlandes pilgern läßt, ist doch seine Vielfältigkeit!



Agrarmarkt

Über 40% des EU – Haushalts werden hierfür aufgewendet und umverteilt. Die negativen Begleiterscheinungen hierbei wie Fleischberge, Milchseen usw. sind in der Vergangenheit die Hauptkritikpunkte gewesen. Heute richtet sich die (ebenfalls berechtigte) Kritik auf die durch Subvention möglich gewordenen Dumpingpreise, mit denen europäische Agrarprodukte auf den Märkten der Entwicklungsländer angeboten werden und die dort heimische Landwirtschaft kaputt machen. Aber auch in Deutschland kämpfen kleine und mittelgroße Höfe ums Überleben, weil sie z.B. gegenüber klimatisch bevorzugten EU- Partnern nicht mithalten können. Eine ausreichende nationale Unterstützung unserer Bauernschaft ist aber kaum möglich. Verschwinden nun aber diese (vielen) Betriebe, dann stellt sich, abgesehen von weiteren Arbeitslosen, die Frage: Wer soll die Pflege unserer Kulturlandschaft übernehmen, die heute noch durchweg schön und sauber ist? Der vormalig für die Landwirtschaft zuständige EU- Kommissar Fischler/Österreich fiel hierzu einmal positiv aus dem Rahmen der Brüsseler Bürokratie und wollte einen angemessenen Anteil der Agrar- Subventionen für ein Grundgehalt der Bauernschaft verwenden. Einige EU- Mitglieder sahen das nun gar nicht gerne und setzten dagegen ihre vielfältigen Interventionsmöglichkeiten ein. Als alles nichts fruchtete – der Östereicher Fischler zeigte viel Rückgrat und konnte auch gute Argumente für sein Vorhaben vorbringen – wurde er abgelöst und ausgetauscht. Mehr oder weniger läuft nun alles so weiter wie bisher. Auch die quälerische Massentierhaltung – eine schlimme Entartung im heutigen Agrarbereich – wurde in Brüssel weiter zementiert und eine gute Absicht Deutschlands abgeschmettert.



Umwelt

Ganz schlimm wirkt sich der zentrale Umweltschutz für uns aus. Deutschland ist in der EU das Land mit der zweithöchsten Besiedelungsdichte, hat dabei aber über 30% Waldfläche, eine saubere und gepflegte Kulturlandschaft und wird dennoch von Brüssel aus drangsaliert, noch mehr Naturschutzgebiete auszuweisen. Genannt seien hierzu die Proteste und Querelen über die Ausweisung weiterer Vogelschutzgebiete in Schleswig - Hostein, aber auch das Bangen im letzten Jahr um die Zustimmung für eine teilweise Zuschüttung des Mühlenberger Lochs im Hamburger Hafen – ein Dreckloch übrigens – zugunsten einer Erweiterung der Airbus-Produktionsfläche. Ich finde es schlimm, daß es für Fanatiker aus dem Bereich des Umwelt- und Naturschutzes überhaupt die Möglichkeit gibt, uns in Brüssel denunzieren zu können. Aber auch unsere zuständigen Ministerien in Bund und Ländern haben auf diesem Gebiet schon lange überzogen, so z.B. beim Naturpark Wattenmeer und den vielen anderen Naturparks wie Elbtalauen, dem Schutzgebiet für Schweinswale usw. Man muß nur einmal bei der Ausübung der Gesetze im Detail genauer hinschauen. Beim Naturpark Wattenmeer z.B., wo anzulandende Pipelines oder Elektrokabel für die Durchquerung aufwendig und kostenintensiv untertunnelt werden müssen, oder bei den seeseitigen Deichböschungen und dem Deichvorland, auf die keine Schafherden zum Weiden mehr getrieben werden dürfen. Ähnlich unverständliche Verbote gibt es in Hülle und Fülle.



Finanzwesen

Die gemeinsame Währung ist nicht mehr rückgängig zu machen, aber es darf wohl einmal hinterfragt werden, ob die Aufgabe unserer Souveränität hierbei nicht auch Nachteile gebracht hat. Wie wollen wir z.B. jemals die Schulden der öffentlichen Haushalte von 1,5 Billionen € - allein die Zinslast für die 880 Milliarden Bundesschuld im Jahre 2005 betrug 41,23 Milliarden

(16% vom Bundeshaushalt) - wieder loswerden, wenn die Möglichkeiten für eine Steuerung der Inflationsrate eingeschränkt und die für eine nationale Währungskorrektur überhaupt nicht mehr gegeben sind? Dabei sind diese Zahlen noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange. Werden die Verpflichtungen aus den Sozialsystemen und die Pensionslasten mit betrachtet, dann schätzt man den Schuldenberg, den wir unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen, auf rund 4,5 Billionen €. Es ist mein Eindruck, daß auch in dieser Regierung an einen Schuldenabbau nicht mehr ernsthaft gedacht wird, vielleicht noch nicht einmal daran, den Schuldenzuwachs auf 0 zu bringen. Man wird schon froh darüber sein und nach Eintreten zunächst einmal erschöpft in die Kissen sinken, wenn der jährliche Zuwachs unter 3% zu liegen kommt.

Ein größeres Problem für unsere Wirtschaft und hier insbesondere für die Beschäftigungslage liegt im Aktienbereich, wo feindliche Übernahmen durch ausländische Finanzgruppen von gesunden deutschen Unternehmen praktiziert werden. Dieses geht fast immer mit Arbeitsplatzverlusten einher, manchmals aber auch mit einer völligen Zerschlagung des Unternehmens. Beispiele: Vodafone, Armaturenhersteller Grohe. Aber auch deutsche Aktiengesellschaften handeln gegen unsere Interessen, wenn sich die Vorstände ausschließlich auf die Kapitalseigner ausrichten und ihnen auf Kosten von Arbeitsplätzen hohe Dividenden bescheren. Beispiele: Deutsche Bank und die Post.

Hierfür ist nun die EU nicht verantwortlich zu machen, aber vielleicht kann sie in diesem Falle einmal im positiven Sinne eingeschaltet werden, denn die Aktien- und Börsenrechte sollten entscheidend geändert und der Weltsituation angepaßt werden. Die Annahme von unbegrenzten Wachstumsmöglichkeiten, wie sie den Wirtschaftstheorien immer noch zugrunde liegen, wird der Wirklichkeit nicht mehr gerecht. Die Welt ist für die 6 Milliarden Menschen heute (und für die erwartbaren 8 bis 9 Milliarden bis Mitte des Jahrhunderts erst recht) zu klein geworden. Neue Kontinente, die besiedelt werden können und dadurch einen hohen Bedarf entwickeln wie in der Vergangenheit, gibt es nicht mehr. Im Gegenteil, es beginnen sich Separierungsvorgänge zu entwickeln wie im südlichen Afrika und wohl auch schon in einigen Ländern Südamerikas. Ein weiterhin starkes Bevölkerungswachstum in diesen Ländern, das eher zu einer weiteren Verarmung und nicht zu Wirtschaftswachstum führt, unterstützt diese Tendenzen. Hinzu kommt, daß auch die Technik nicht unbegrenzt innovativ ist und uns immer neue und bessere Produkte bescheren wird. Tendenzen, wo Produkte und Prozesse sich dem theoretisch in ihnen liegenden Optimum nähern, sind, zumindest für den Ingenieur und Naturwissenschaftler, erkennbar.

Neue Regeln und Gesetze, die dem heute ungebremst wirkenden Kapital Zügel anlegen und es eine Wirkungsrichtung geben, die den Menschen nützt und nicht gegen sie richtet, können natürlich nur weltweit eingeführt und durchgesetzt werden. Derartige Impulse könnten von Europa ausgehen und was liegt da näher, die Kommission damit zu beauftragen, entsprechende Vorschläge in die hierfür zuständigen internationalen Institutionen einzubringen.



Angeblich soll das Europaparlament nur 1% von dem 117 Milliarden – Budget benötigen und die Abgeordneten wurden im Wahlkampf zur letzten Europawahl nicht müde darauf hinzuweisen, daß ohnehin die meisten Entscheidungen heute schon in Brüssel getroffen werden und sie deshalb dort ungemein wichtig seien. Es sei nun aber die Frage erlaubt, wie teuer den Bürgern Europas so ein Gesetz aus Brüssel insgesamt kommt, einmal ganz abgesehen von der Frage, ob es auch sinnvoll und konstruktiv ist? Ist dadurch, daß Europa- Abgeordnete in Brüssel oder Straßburg ein Gesetz gemacht haben (z.B. das FFH – Gesetz), bei uns an Aufwand hierfür eingespart worden? Ich denke eher nicht, denn vor einer Gesetzesabstimmung im EU-Parlament wurden nationale Institutionen tätig diese vorzubereiten oder zu bekämpfen und nach einer Verabschiedung (häufig auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner) sind dieselben Institutionen dann dafür erforderlich, dieses Gesetz national einzuführen und zu überwachen.

Bei der EU- Erweiterung einigte man sich in Brüssel darauf, daß jedes neu hinzukommende Land auch (mindestens) einen Kommissar entsenden kann, was ja in etwa einem Ministeramt mit einem entsprechenden Mitarbeiterstab entspricht. Dieses führte dann dazu, daß man für viele dieser Ämter zusätzlich Aufgaben schaffen mußte, denn für alle 27 Kommissare heute gab es bisher noch keine offenen Bereiche. Außerdem will sich jeder dieser Kommissare seinem Land und Wählern gegenüber profilieren und dafür natürlich auch etwas Neues durchsetzen, was dann mit seinem Namen verbunden ist. Für all das Neue muß es dann aber wieder nationale Ansprechstellen geben, so daß auch wieder neue nationale Bürokratien entstehen. So wachsen die Kosten weiter und weiter, sogar nachhaltig, denn für die Brüsseler Beamten sind dann eines Tages auch ihre Pensionen zu zahlen.



Eine Reduzierung der Kosten bei der EU muß seine Ergänzung bei uns finden. Die Förderalismusreform muß deshalb ergänzt werden durch eine Reduzierung der Bundesländer. Hierbei wäre der in der Diskussion befindliche Zusammenschluß aller Küstenländer ein guter Ansatz, weil hierdurch gleiche Problembereiche, wie z.B. die Schiffahrt, zusammengefaßt werden. Der optimale Standort für einen Tiefwasserhafen zum Anlegen ultragroßer Containerschiffe wäre dann vielleicht nicht mehr Wilhelmshaven, wie derzeitig festgelegt.

Derartige Entscheidungen sollten künftig auch wesentlich schneller umgesetzt werden als bisher, wo man selbst bei einer kleinen Fusion der nördlichen Bundesländer von Jahrzehnten spricht. Die Reaktionsgeschwindigkeit muß mit den eintretenden Veränderungen, wie sie z.B. bei der Zunahme der Verschuldung deutlich wird, zumindest Schritt halten, besser aber diesen so rechtzeitig begegnen, daß gravierende Belastungen gar nicht erst auftreten.



Mit freundlichen Grüßen



Gerd Zelck











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