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Braucht die EU eine Verfassung?


29.12.2006 - 16.27 Uhr

Keine Alternative zu einer "Verfassung"

Olaf Rossow

Roger Köppel hat durchaus recht, dass Europa keinerlei langfristige Zielsetzung hat.
Seit den römischen Verträgen ist das Projekt Europa ein Projekt der politischen Eliten gewesen. Dies hat sich in den letzten 50 Jahren nicht sonderlich geändert.
Ursprünglich ging es ja wirklich nur darum zum einen die Schwerindustrie der Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg kontrollieren zu können, was in der Montanunion mündete. Das Projekt Europa war anfangs nur auf die Wirtschaft ausgerichtet. Eine politische Union stand anfangs gar nicht zur Debatte. Diese kam erst 1992 mit dem Amsterdamer Vertrag hinzu. Deshalb sollte es nicht verwunderlich sein, dass eine lanfristige Zielsetzung nicht gegeben ist. Die Diskussion, ob wir ein starkes Europa wollen und wie es ausgestaltet sein soll, kam erst mit dem Verfassungsvertrag zustande.
Wir sind also gerade erst dabei durch den Prozess zur "Verfassung" uns eine langfristige Zielsetzung zu geben. Dass eine Diskussion zu dieser "Verfassung" zu kurz gekommen ist, ist aber auch den Medien zu verdanken, die , wenn überhaupt, einseitig und negativ über Europa berichten. Eine politische Union ist in jetziger Zeit, wo China und Indien auf den Weltmarkt drängen und Russland wieder erstarkt dringlicher denn je. Ich kann mir nicht vorstellen, wie jede einzelne Nation Europas bei der WTO gegen Asien oder den USA seine Interessen durchsetzen soll. Gerade hier erkennt man, dass nur ein geeintes Europa sich Gehör in der Welt verschaffen kann. Am Irak- Krieg hat man gesehen, dass Nationalstaaten nichts mehr ausrichten können. Vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn Europa vereint mit einem europäischen Ausseminister, wie im Verfassungsvertrag vorgesehen, aufgetreten wäre.
Der Verfassungsvertrag ist sicher nicht perfekt. Es besteht dort aber nicht ein zu viel, sondern ein zu wenig an politischer Union. Eine öffentliche europäische Willensbildung würde in Gang kommen, wenn das Parlament mehr Macht, namentlich ein Initiativrecht für Gesetzesentwürfe bekommen würde. Auch würde ihm endlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wenn er, wie im Verfassungsvertrag vorgesehen, den Kommissionspräsidenten wählen könnte.
Sicherlich kann man darüber streiten, ob der Verfassungsvertrag so richtig gestaltet ist. Dass er aber notwendig ist, um Europa regierbar zu halten, liegt klar auf der Hand. Ohne ihn werden wir tatsächlich wieder in Kleinstaaterei verfallen und unser Gewicht in der Welt verlieren. Europa hätte keine Bedeutung mehr.
Daher ist der Verfassungsvertrag keine übertriebene politische Ambition, sondern notwendig, damit Europa seine Bedeutung in der Welt erhält.




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