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Braucht die EU eine Verfassung?


29.12.2006 - 17.42 Uhr

Pro und Kontra hat Recht!

Michael Dreher

Die Wahrheit liegt, wie so oft, mal wieder in der Mitte: Richtig ist, dass Europa zunächst definieren müsste wo es hin will. Leider ist dies in der Vergangenheit nie wirklich geleistet worden.
Hier möchte ich meine persönliche Meinung gar nicht zurückstellen: Europa hat m.e. gar keine andere Wahl, als sich zu einer politischen Union zu entwickeln. Tut es das nicht, werden seine Teilstaaten zwischen den großen Machtblöcken der Welt (USA, China, Indien, Russland) zerrieben und gegeneinander ausgespielt. Man hat das ja schon beim Auftakt zum Irak-Krieg gesehen.
Außerdem wird die euröpäische Kultur mit ihrer, im wesentlichen, lebensbejahenden und liberalen Grundhaltung keine einheitliche Stimme finden gegen die freiheitsbedrohenden und gewalttätigen Ideologien des religiösen Fundamentalismus.
Die europäische Verfassung wäre aber tatsächlich ein erster Versuch, eben diese Zieldefinition anzugehen und klare Strukturen zu schaffen. Der Grundfehler daran ist nur, dass bisher kein Versuch unternommen wurde, dies der europäischen Bevölkerung nahezubringen. Im Gegenteil, nationale Politiker jeglicher Couleur, und mit ihnen nicht unerhebliche Teile der Presse, wehren sich mit Hlfe ständiger, meist sachlich unbegründeter, Schuldzuweisungen an Brüssel gegen den drohenden Machtverlust.
Nicht ein Staat gib sich eine Verfassung, sondern ein Volk lässt sein Gemeinwesen durch das Festlegen einer Verfassung erst entstehen. Es wird Zeit, eine neue europäische Basisbewegung ins Leben zu rufen, die sich auf das, objektiv vorhandene, gemeinsame kulturelle Erbe besinnt, und dafür eintritt, die aktuellen Nationalstaaten auf das zu reduzieren was sie im Grunde sind: Überbleibsel längst vergangener feudaler Machtstrukturen.
Dass ich die Wirtschaft bisher nicht erwähnt habe, liegt einfach daran, dass dort die Probleme am kleinsten sind. Die noch vorhandenen Hürden werden im Laufe der Jahre auch noch fallen.
Die echten Probleme liegen dagegen eindeutig im psychologischen Bereich: Was unterscheidet denn einen Pariser mehr von einem Hamburger als diesen von einem Rosenheimer? Ja, die Sprache! Ansonsten sind sich nämlich Pariser und Hamburger wesentlich ähnlicher, als beide es mit einem Rosenheimer sind.
Ich gebe zu, ich bin etwas abgeschweift, aber dies ist schließlich kein Essay, sondern nur ein Kommentar. Was ich ausdrücken will ist schlicht das: egal wie der Weg aussieht, wir brauchen einen europäischen Staat! Nur dieser wird uns Europäern auf Dauer das Überleben auf diesem Planeten sichern können. Kommt er nicht, so werden wir in ein paar hundert Jahren entweder amerikanisch, russisch, chinesisch oder Islamisch beherrscht sein.
Deshalb bin ich der festen Überzeugung: Europa braucht eine Verfassung. Die aktuell zur Debatte gestellte ist nicht die beste, aber sie ist ein Anfang.




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