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Braucht die EU eine Verfassung?


01.01.2007 - 15.37 Uhr

Ohne Verfassung ist die EU zum Scheitern verurteilt

WolfgangBerkhan (Pseudonym)

Selbstverständlich benötigt die Europäische Union eine Verfassung. Diese Verfassung darf kein Buch sein mit 500 Seiten, sondern sie muss in prägnanter Form die wichtigen Ziele und Grundsätze eines langfristigen friedlichen Zusammenlebens der EU-Mitglieder enthalten, und sie muss die Rolle und die Funktionsweise der europäischen Institutionen definieren.

Die EU-Verfassung muss den Rahmen abgeben für die weitere institutionelle Integration Europas. Sie darf auf keinen Fall lediglich die Ideologie der Marktwirtschaft und des Freihandels zum Ausdruck bringen, weil Unternehmen und Interessengruppen niemals das langfristige Wohl der Bürger im Auge haben, sondern nur ihre eigenen und oft nur sehr kurzfristigen Interessen. Ein rein "marktwirtschaftliches Europa", das nur dem Interesse von Unternehmen und Gruppen Rechnung trägt, ist selbstzerstörerisch und, wie schon vor dem ersten Weltkrieg, zum Scheitern verurteilt. Dasselbe gilt für ein Europa, das nur von den Interessen oder vermeintlichen Interessen einzelner Mitgliedsländer gesteuert wird. Die europäische Verfassung muss deshalb die Grundlage sein für starke europäische Institutionen, und sie muss ein Minimum an "europäischem Idealismus" und "europäischem Humanismus" aufweisen, der den einzelnen Bürger Europas und die langfristigen Anliegen einer europäischen Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt und nicht, oder jedenfalls nicht allein, die materiellen Interessen einzelner Unternehmen und Gruppen.

Auf der Grundlage dieser Erkenntnis ergeben sich die Antworten für fast alle weiteren und detaillierteren Fragen des europäischen Zusammenlebens in der EU praktisch von selbst: Viele Gesetze müssen von der EU ausgehen, denn wenn sie nicht in "Brüssel" gemacht werden, werden sie von transnationalen Gesellschaften und nationalen Interessengruppen über ihre "Lobbies" selbst gemacht. Europa benötigt klare Grenzen und ein Mindestmass an gemeinsamer Aussen- und Verteidigungspolitik, will es nicht zum Spielball anderer globaler Mächte (USA, China, Russland, ...) werden. Europa braucht ein soziales Element, weil sonst der soziale Zusammenhalt einer europäischen Gesellschaft nicht gewährleistet ist. Vor allem anderen aber benötigt Europa zunächst ein klares europäisches Bewusstsein seiner einzelnen Bürger, und dies kann nur durch mehr Bildung erreicht werden, und zwar nicht nur durch Bildung, die dem beruflichen Fortkommen dient, sondern durch politische Allgemeinbildung und geschichtliches Wissen, welche die politische Urteilskraft seiner Bürger stärkt, weil sonst jedes Referendum, jede Volksabstimmung, zur Farce verkommt. Zu diesem letzteren Punkt gehört auch ein besseres Verständnis von Demokratie. Die direkte Demokratie wird in Europa nicht funktionieren; dazu ist es zu gross und zu komplex, und dafür sind seine Bürger noch längst nicht genügend vorbereitet.





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