www.dradio.de

Braucht die EU eine Verfassung?


23.03.2007 - 21.10 Uhr

Vefassung als Kernproblem

Diemo Schaller

Ich möchte hier mal eine Kernthese von mir dargeben, die auch Hermann August Winkler in einem Beitrag für das letztwöchige Parlament äußerte.

Das Wort "Verfassung" hat ganz großen Anteil an unseren gesamten Problemen, denen wir uns vermeindlich und tatsächlich gegenüber sehen.

Über einen "Vertrag von London" oder "Vertrag von Bukarest" oder einen "Vertrag zur Weiterentwicklung des Nizza-Vertrages" hätte sich keiner oder sehr viel weniger Menschen aufgeregt.

Nun haben wir das Wort Verfassung in der Diskussion. Das halte ich für schädlich, auch - und ich bin ehrlich - da es uns nicht weiterbringt.
Die EU muss zuvorderst die Handlungsfähigkeit ihrer Institutionen verbessern - Kommission verkleinern und Rotationsprinzip, Mitwirkungsrechte des Parlaments weiter stärken, Straffung der Strukturen in interner Kommunikation und Bürokratie, Befugnisse der nationalen Parlamente bzgl. Informationserlangung und Subsidiarität stärken, die GASP weiterentwickeln, neue Kooperationsmechanismen schaffen und bestehende weiterentwickeln (ENP) sowie die Stimmrechtsgewichtung im rat und das prozessuale Entscheidungs- und Rechtsaktverfahren überarbeiten.

Das alles gehört aber nicht mit "Verfassung" überschrieben.
Menschenrechte, Freiheit, Wohlstand - das alles sicherte und generierte die EU auch schon vor zwanzig Jahren - und Keinen interessierte es.
Sie wird es auch in Zukunft tun.

Es geht nicht um Grundsatzentscheidungen, deshalb ist der Titel "Verfassung" vollkommen falsch gewählt.
Es geht um Weiterentwicklung und Effizierung bestehender, funktionierender Strukturen.
Will man aber eine (neue) Verfassung schaffen, so muss man prinzipiell alles vorhandene zur Disposition stellen.
Das halte ich für unnötig und unpraktikabel.


Meine Fragen daher:
Wer brachte auch nur das WORT Verfassung ins Gespräch? War das interessengeleitet oder einfach nur Hochmut gepaart mit Dummheit?
Warum gerade jetzt?
Wo sollen die ach so neuen Herausforderungen liegen, die es rechtfertigen das Projekt so leichtfertig zur Disposition zu stellen und Populisten von rechts und links ohne bessere Alternativen in Frage stellen zu lassen?

Für mich unverständlich.

Um es klar zu sagen: Ich plädiere für ein schlankeres Vertragswerk mit der Aushandlung in einem osteuropäischen Staat und dann auch mit dessen Haupststadt oder exponierter Stadt im Titel.
So gibt man den osteuropäern eine Form von Würde und nimmt dort den Druck aus der Diskussion.

Das Wort "Verfassung" möchte ich aber zumindest nicht mehr lesen.
Es hat für böses Blut gesorgt und für sinnlose Diskussionen, nur wenige haben sich zur EU bekannt und meist auch nur halbherzig.

Auf ein neues mit dem neuen Werk,

Mit freundlichen Grüßen

Diemo Schaller




Wenn Sie Verstöße gegen unsere Regeln feststellen, informieren Sie bitte die Forenadministration per E-Mail.

© 2007 Deutschlandradio