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2. Runde: Braucht Europa Grenzen?


02.08.2007 - 13.31 Uhr

Europa h a t Grenzen

Jürgen Busch

„Braucht Europa Grenzen?“ Die Fragestellung trägt m.E. zu der in der öffentlichen Sprache verbreiteten Begriffsverwirrung bei. Und ich werde die Frage nicht los, ob das nur auf ungewollter Nachlässigkeit bei Politikern und Journalisten beruht. Oder ist es gar Methode?
Auch die beiden Kommentatoren – Martin Winter (Pro) genauso wie Alois Berger (Contra) – verwenden „Europa“ und „Europäische Union“ (EU) wechselnd, wie Synonyme.

Europa und die Europäische Union sind aber nicht dasselbe.
Nur ein Beispiel: Es wird wohl niemand bestreiten wollen, daß die Schweiz und auch Norwegen europäische Länder sind, daß sie zu Europa gehören, Teile Europas sind. Und es ist eine Tatsache, daß beide Länder nicht Mitglieder der EU sind.

Europa ist ein Kontinent, ein kultureller Raum, was alles auch immer: Europa gibt es.

Die EU ist ein durch Verträge entstandenes Gebilde. Dem Namen nach sollte einmal ein Vertragswerk entstehen, das die Völker der vertragsschließenden europäischen Staaten zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen lässt.

Es geht also nicht darum, ob Europa Grenzen b r a u c h t , Europa h a t Grenzen.
Hätte Europa keine Grenzen, wäre überall und alles Europa.

Wir könnten jedoch fragen:
Wo liegen die Grenzen Europas?
und wir müssen uns fragen:
Was sollen nach unserem Willen (wir sind die Europäer) die Grenzen bewirken?

Die Älteren unter uns werden sich vielleicht noch – wie ich – an Gary Davis erinnern, den „Weltbürger Nr. 1“, der Ende Dezember 1949 zwischen Kehl auf deutschem Boden und Strasbourg auf französischem Boden campierte. Ein junger Amerikaner, der seinen Paß zerrissen hatte und seinen Traum von der einen Welt verwirklichen wollte. Er hatte – soweit mein jugendlicher Blick damals reichte – die Herzen aller Jugendlichen damals gewonnen. Wir freuten uns über sein Tun und wünschten uns ein politisch geeintes Europa – an eine EU dachte damals keiner von uns. Und an eine EU-Verfassung von der Stärke eines Großstadt-Telefonbuches auch nicht.

PS:
Konfuzius wird zugeschrieben:

Wenn die Sprache nicht stimmt,
dann ist auch das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist.
Ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist,
so kommen keine guten Werke zustande; kommen keine guten Werke zustande,
so gedeihen Kunst und Moral nicht; gedeihen Kunst und Moral nicht,
so trifft die Justiz nicht; trifft die Justiz nicht,
so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen.

Also dulde man keine Willkürlichkeit in den Worten.
Das ist es, worauf es ankommt.

PS2:
Ich habe oben die Begriffe „Länder“ und „Staaten“ bewusst alternierend gebraucht; im weiten Bedeutungsgehalt dieser beiden Wörter gibt es neben Unterschieden sehr viele einander entsprechende Bedeutungen.

J.B. – jotabene




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