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Braucht die EU eine Verfassung?


08.01.2007 - 00.14 Uhr

Die Neudefinition des Wahrheitsbegriffs in der Aufklärung

Thomas Günther

Die Definition der Verfassung in Ihrem Beitrag nachvollziehend, kann ich dem letzten Abschnitt mit dem unzweideutigen und umfassenden Christusbekenntnis nicht folgen. Ich selbst bin evangelischer Theologe und Pfarrer, meine aber, im Zuge der Ausdifferenzierung des Wahrheitsbegriffes in der europäischen Aufklärung (z.B.: G.E. Lessing, "Über die Wahrheit" 1777) nicht allen Menschen ein Christusbekenntnis abverlangen zu können. Die Erkenntnis der Aufklärung liegt darin, daß der Mensch, auch der Christ, nicht zur endgültigen Definition einer allumfassenden Wahrheit, die es möglicherweise gibt, in der Lage ist; dazu fehlen uns die hermeneutischen Instrumentarien. Eine hilfreiche Darstellung dieses Themenkomplexes finden wir bei dem italienischen Philosophen Gianni Vattimo, der in seinem Bändchen "Credere di credere" (deutsch. "Ich glaube, daß ich glaube", erschienen unter dem Titel: "Glauben - Philosophieren" Reclam, Ditzingen) in Anlehnung seiner Philosophie des "pensiero debole" ("Schwaches Denken") eine Theologie des "Schwachen Glaubens", entwickelt.
Europäisches Selbstverständnis kann nicht konfessionell gebunden sein, sondern muß seine Werte und Maximen aus den Quellen der kulturgeschichtlich tragenden Traditionen Europas - christliche eingeschlossen, aber nicht ausschließlich - herleiten.




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