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Braucht die EU eine Verfassung?


28.12.2006 - 17.16 Uhr

Eine Union der Bürger

Horst Grützke

Der Autor argumentiert sehr seltsam. Natürlich braucht dieses Gebilde "EU" eine Verfassung; es muss so "verfaßt" sein, dass sich der Bürger darin wiederfindet. Bisher ist die EU ein nur Wirtschaftsinteressen entsprechendes Gebilde - eingebunden die Verbraucher der wirtschaftlichen Tätigkeit -, das so wie es ist, das Ergebnis von nationalstaatlichen Interessen ist. Die Mitgliedstaaten haben diese EU mit ihren undemokratischen Formen und Methoden beschlossen.
Mit einer Verfassung soll die EU weniger Wirtschaftseinheit, also nur Binnenmarkt sein, sondern mehr eine Union der Bürger, die dann mit demokratischen Mitteln darin mitbestimmen und sich dadurch in dieser Union wiederfinden können - und müssen.
Sonst bleibt es tatsächlich ein undemokratisches Gebilde.
Wer sagt, dass nur Nationalstaaten eine Verfassung haben dürfen? Jede juristische Organisation, ob UNO, UNESCO oder auch der einfache Bürgerverein, haben eine "Verfassung", hier meistens Satzung oder Statuten genannt. Wer sagte damals, dass ein gerade in Gründung befindlicher Nationalstaat eine Verfassung nicht benötigt ? Die doch wohl, die der "Verfaßtheit" des Natioalstaates entgegenstanden, die nicht wollten, dass der Bürger des Nationalstaates Rechte und Pflichten festgeschrieben bekam, ja dass nicht einmal die Bürger - das Volk - DER Souverän der Republik wurden. Heute ist die Situation die gleiche. Weil eben die bisherige Entwicklung der Entwicklung der EU auf ausschließlich aus nationalstaatlichen Interessen heraus beschlossen wurde, und damit so wenig bürgerfreundlich und undemokratisch existiert und wirkt, sollte sie nunmehr recht schnell "demokratisch verfaßt" sein: Eine Verfassung von den Bürgern miterarbeitet und mit beschlossen - also durch ein europaweites Referendum - und dann auch von den europäischen Bürgern mitverwirklicht. Der bisherige Entwurf des Verfassungsvertrages sah bereits all diese demokratischen Mitgestaltungsmöglichkeiten vor. Das er - Gott-sei-Dank - von den Franzosen und den Niederländern in direkt-demokratischer Weise abgelehnt wurde, liegt nicht an angeblicher Europafeindlichkeit dieser Völker, sondern daran, dass dieser Verfassungsvertrag unzulässigerweise Teile beinhaltet, die eine bürgerfeindliche Politik der EU auf verschiedenen Gebieten (neoliberale Wirtschaftspolitik, militärische Präventionsangriffe außerhalb der Grenzen der EU usw.) festgeschrieben hätte, was eine nationalstaatliche Verfassung nie für sich beansprucht hat. Doch darüber wird in bestimmten politischen Kreisen aber auch nicht in den meisten Medien berichtet.
Es ist als sicher anzunehmen, dass auch der deutsche Souverän, würde er denn überhaupt diese demokratische Willensbildung wahrnehmen, ebenfalls mehrheitlich diesen so gestrickten Verfassungsvertrag ablehnen. Dagegen würde sehr wahrscheinlich eine Verfassung ohne diesen berüchtigten Teil III bei einem europaweiten Referendum die Mehrheit der Stimmen der europäischen Bürger bekommen. In dieser Verfassung wäre dann auch durch die festgeschriebenen Subsidiaritätsregeln die "Mitbestimmung" der Bürger auf allen Ebenen gesichert. Vor allem aber würde das im Artikel I-47 festgeschriebene "Prinzip der partizipativen Demokratie" dem Bürger das Recht geben, in der EU "mitzubestimmen".
Dann würden all die "Bedenken" des Autors über das "undemokratische Gebilde" EU von selbst verschwunden sein. Vor allem: Die europäischen Bürger hätten dieser "juristischen Person" Europäische Union eine Verfassung gegeben, für die sie nach allen bisher bekannten internationalen Regeln befugt sind, so wie es damals die Bürger der im entstehen begriffenen Nationalstaaten auch waren. Warum also dem europäischen Bürger dieses Recht absprechen?




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