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Braucht die EU eine Verfassung?


19.01.2007 - 17.50 Uhr

Warum nicht erst einmal eine Verfassung für unseren Staat?

Christel Jödecke

Wenn unseren Politikern so sehr daran gelegen ist eine Verfassung auszuarbeiten und sie dann auch noch in Kraft treten zu lassen, warum nehmen sie sich dann nicht erst einmal unser Grundgesetz zur Hand und arbeiten den Artikel 146 ab?
Als es noch 2 deutsche Staaten gab wurde immer wieder hervorgehoben, daß das Grundgesetz ja nur bis zur Wiedervereinigung gelte und dann die Verfassung ausgearbeitet werde. Nun es gab m.E. kurz nach der Wende auch zaghafte Ansätze ein Gremium zu schaffen das eine Verfassung ausarbeiten sollte, aber das wurde schnell wieder abgebrochen.
Immerhin steht im Artikel 146 etwas von "freier Entscheidung des deutschen Volkes". 1949 gingen die Politiker also noch davon aus, daß bei einer Verfassung das Volk abstimmen muß. Wie lang ist das her? Eigentlich ist es ja überflüssig hier im Land den einzelnen Bürger zu fragen ob er eine europäische Verfassung will, denn er wird ja sowieso nicht gefragt. Da haben also die europäischen Organe eine Verfassung ausgearbeitet, darunter auch deutsche Vertreter, und da wurde ja mit den europäischen Regierungen und Parlamenten auch darüber gesprochen und diese haben ihre Vorstellungen auch mit einfließen lassen. Und dann dürfen deutsche Regierung und deutsches Parlament über das abstimmen, woran sie in irgendeiner Weise selbst mitgearbeitet haben.
Ich habe während des Abstimmungsprozesses meine ganze Hoffnung in die Staaten gesetzt, bei denen es eine Volksabstimmung gab und ich muß sagen, daß ich nicht enttäuscht wurde. Ich danke noch heute besonders den Franzosen.
Und was sagt unsere Regierung? Vor den Wahlen hieß es immer vollmundig, daß wenn nur 1 Land ablehne, die europäische Verfassung gescheitert sei. Das habe ich über Monate gehört. Und dann war nach dem Ergebnis bei mir doch noch ein ganz kleiner Glaube daran, daß sie sich doch an ihre Worte erinnern könnten und das Ergebnis zur Kenntnis nehmen könnten, daß die Bevölkerung es nicht will, aber nein. Abgesehen davon, daß sie sich am liebsten ein neues französisches Volk gewählt hätten, wurde in die Wiederbelebungsphase eingestiegen. Und seit dem wird so weitergemacht und zwar immer mit der Phrase: "Zur europäischen Verfassung gibt es keine Alternative". Das heißt dann so viel wie: Das Denken bitte ausschalten, wir machen das Richtigste der Welt.
Wenn sich nun aber die Politiker der EU über diese alternativlose Verfassung so einig sind, dann könnten sie ja auch ohne daß es sie gibt Auf vielen Gebieten danach handeln. Niemand hält das Europaparlament und den Europarat davon ab, sich neue Geschäftsordnungen zu geben in denen z.B. die Abstimmungsmodalitäten geändert werden. Aber nein, erst nehme ich mehr Staaten auf als ich verkraften kann und wenn ich dann feststelle, daß ich handlungsunfähig bin, dann sind daran die Bürger Schuld, die eine überflüssige Verfassung abgelehnt haben. Das ist ja auch einfacher als Fehler zuzugeben.
Eine Verfasssung hätte z. B. auch nichts an den unterschiedlichen Meinungen zum Irakkrieg geändert, denn ein Stück Papier ändert nichts an den Interessen der einzelnen Staaten.
Die EU könnte ohne Verfassung auf vielen Gebieten einheitliche Regelungen schaffen, die wirklich einen Sinn haben. Wie wäre es z.B. mit dem Verkehrsrecht, mit dem Strafrecht oder mit dem Steuerrecht. Als ich den Verfassungsentwurf gelesen habe und zum Teil "Steuerrecht" kam dachte ich zuerst, daß das in einer Verfassung nichts zu suchen habe, war aber dann doch der Meinung, daß man vieles regeln müßte. Aber was steht da? Es geht fast nur um Ein- und Ausfuhren von Gütern und der Artikel zu Steuern ist einer der kürzesten.
Die Europapolitiker sollten doch erst das Steuerrecht vereinheitlichen, bevor sie jedem Bürger eine EU-Bürgerschaft aufdrücken. Und sie sollten in ihrem Handeln selbst einmal europäischer werden und erkennen, daß hier viele Leute leben, die zu viel Bürokratie nicht mögen.




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