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Braucht die EU eine Verfassung?


28.12.2006 - 19.54 Uhr

EUROPÄISCHE STAATSBÜRGERSCHAFT

HansProffen (Pseudonym)

Einem Europa ohne Visionen droht das Scheitern

Die Bundesrepublik übernimmt am 1. Januar 2007 für eine halbes Jahr die europäische Ratspräsidentschaft. Bundeskanzlerin Merkel hat sich dabei vorgenommen, das Projekt der Europäischen Verfassung wieder zu beleben.

Das war als Mogelpackung bereits in Volksabstimmmungen in Frankreich und Holland auf breite Ablehnung der Bevölkerung gestoßen, die man hierzulande erst gar nicht in die Abstimmung einbezog. Was als Europäische Verfassung angepriesen wurde, war im Kern der bedenkliche Kompromiss eines Staatsvertrages zwischen souverän bleibenden Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die ihre Bürger nach wie vor nicht direkt an Europa teilhaben lassen wollten. Eine Verfassung aber ohne Bürger und dem damit verbundenem Staatsbürgerrecht ist keine Verfassung.

Dabei würde eine Europäische Staatsbürgerschaft viele der Probleme lösen, unter denen die heutige Europäische Union leidet : vor allem ihr mangelndes Demokratie Verständnis mit einer Europäischen Kommission, die weitgehend von den beteiligten Regierungen unter Abkopplung des Volkssouveräns zusammengesetzt wird, Seine Einwirkungsmöglichkeiten über nationale Wahlen und eine Europawahl für ein neben den nationalen Parlamenten in seinen Befugnissen beschränktes Europa Parlament sind unzureichend, die resultierend europäische Super-Bürokratie entsprechend demokratisch mangelhaft kontrolliert. Dass eine gemeinsame Staatsbürgerschaft die natürlichen Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher nationaler Herkunft konstruktiv zu lösen helfen kann, zeigen die Beispiele der Bundesrepublik und Israels.

In der Bundesrepublik werden die Bürger deutscher, türkischer, italienischer, jüdischer oder sonstiger Volkszugehörigkeit mit einheitlicher bundesrepublikanischer Staatsbürgerschaft ausgestattet und als Staatsbürger gleich behandelt. In Israel gilt die israelische Staatszugehörigkeit für jüdische und arabische Volksangehörige, wobei die jeweilige Volkszugehörigkeit in den israelischen Personaldokumenten neben der israelischen Staatsangehörigkeit ebenfalls ausgewiesen wird.

Für eine glaubwürdige Vision eines Vereinten Europas kann man sich Entsprechendes vorstellen : Allen Bürgern der Europäischen Union wird neben einer Europäischen Staatsbürgerschaft ihre jeweilige Volkszugehörigkeit zugestanden mit dem Ziel, die heutigen europäischen Nationalstaaten schrittweise in einem europäischen Staatsverband aufgehen zu lassen. Konflikte wie beispielsweise in Nordirland, dem Baskenland, Katalonien, Korsika, der Bretagne oder zwischen Flamen und Wallonen,, Nord- und Süditalien könnten ebenso der Vergangenheit angehören wie der müßige Streit um die Zugangsberechtigung zu heute national definierten sozialen Sicherungsnetzen und deren Finanzierung. Europa würde über eine einheitliche Armee verfügen und in der Welt außenpolitisch mir einer Stimme sprechen. Dies zu umreißen, wäre der Anspruch eines Europäischen Verfassungsentwurfs. Eine Vision, sicherlich, aber ohne Visionen wurde in der Geschichte noch nie Selbstbestimmung zur Realität. Bundeskanzlerin Merkel wäre der Mut dazu zu wünschen.




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