www.dradio.de
PRO: Adam Krzeminski

Schrittweise zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik

AKRZEM_2-_2_.jpgDer Autor ist Kommentator der polnischen Wochenzeitung "Polityka".

Die Europäer sind schizophren: Auf der einen Seite bemühen sie immer wieder das Bild von den Vereinigten Staaten von Europa, wollen sich eine Verfassung geben und damit zu einer funktionsfähigen Entität werden. Auf der anderen Seite pochen sie auf ihre nationale Souveränität und wehren sich dagegen, der EU mehr Kompetenzen für Außen- und Sicherheitspolitik zu übertragen.

Eigennutz und nationaler Egoismus vor Gemeinsinn - wozu das führt, hat zuletzt die Haltung zum Irak-Krieg gezeigt: Ein tiefer Riss ging durch Europa. Die EU zeigte sich einmal mehr impotent.

Das gelungene Gegenbeispiel einer erfolgreichen gemeinsamen Außenpolitik lieferte der November 2004, als die EU die ukrainische Revolution absicherte, indem sie in Kiew und Moskau vermittelte.

Das Beispiel wird Schule machen. Denn ob sie will oder nicht: Die EU wird außen- und sicherheitspolitisch immer mehr gefordert sein. Sie kann sich den globalen Herausforderungen nicht mehr entziehen – siehe Iran oder Nahost, siehe aber auch Russland.

Selbst wenn die neuen EU-Mitglieder mit gehörigem Tamtam ihre nationale Souveränität betonen und die verblichenen europäischen Großmächte ihre Sehnsucht nach Alleingängen ausleben: Getrennt geben sie allenfalls noch eine Statistenrolle auf der globalen Bühne ab. Die EU kommt also nicht umhin, ihr wirtschaftliches Gewicht auch außenpolitisch einzubringen – sonst droht ihr Bedeutungslosigkeit.

Zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wird es nicht von heute auf morgen, sondern nur schrittweise kommen. Schließlich sieht Ostmitteleuropa mit anderen Augen auf Nordafrika als die Mittelmeeranrainer. Und die Erfahrungen Estlands, Polens oder Rumäniens mit Europas Nachbarschaft im Osten sind ganz andere als in Portugal und Irland. Doch trotz aller Rückschläge wird nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren an einer gemeinsamen Außenpolitik gebaut. Der Weg dahin mag lang und gewunden sein, aber er ist vorgezeichnet.

Beitrag hören

CONTRA: Thomas Kielinger

Die nationalen Vorbehalte sind stärker

Kielinger21.jpgDer Autor ist Großbritannien-Korrespondent der "WELT" in London.

Nichts beschädigt das Ansehen Europas mehr, auch in den Augen der eigenen Öffentlichkeit, als Ziele zu setzen, die sich durch Unerreichbarkeit auszeichnen. Zum Beispiel die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, GASP genannt. Sie ist eine Chimäre. Warum ihr weiter nachjagen?

Auf die internationalen Krisen der letzten Jahre, vom Balkan bis zum Nahen und Mittleren Osten, haben die Europäer mit unterschiedlichen nationalen Antworten reagiert. Selbst innerhalb einer existierenden Sicherheitsstruktur wie der Nato fehlt es im Ernstfall an Gemeinsamkeit. In Afghanistan etwa ist theoretisch die Nato als Ganzes involviert, um das Land vor einem Rückfall in die Taliban-Tyrannei zu bewahren. Aber Kampftruppen in den gefährlichsten Teil des Landes schicken fast nur die angelsächsischen Nato-Mitglieder - Großbritannien, die USA, Kanada. Unter den übrigen reklamieren die meisten bei Kampfeinsätzen den so genannten „nationalen Vorbehalt“, sprich: Sie bleiben entschuldigt fern.

Nationale Vorbehalte in außen- und sicherheitspolitischen Fragen sind aber nicht nur die Regel, sie sind auch natürlich. Das heißt: Antworten auf Krisenlagen in der Welt werden im Ernstfall doch nur wieder von „Koalitionen der Freiwilligen“ kommen. Ein Europa solcher nationaler Unterschiede ist aber weit weniger beschämend als eine EU, in der Gemeinsamkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik institutionell verankert wurde, jedoch in der Praxis durch lauter Enthaltungen glänzt. Einfluss und Macht gewinnt die EU nicht durch Möchtegern-Konstrukte der Willensbildung, sondern durch die allmähliche Einsicht, dass mehr Zusammenarbeit mehr Erfolg bedeutet. Herbeizwingen aber läßt sich dies in der Außen- und Sicherheitspolitik am allerwenigsten.


Beitrag hören


Dieses Thema kommentieren

Kommentare lesen (27)

UNO kein Friedensgarant (0) Erz815 (Pseudonym), 04.06.2007 - 10.20 Uhr
Zivile Konfliktbearbeitung... (2) Frieder Schöbel , 19.02.2007 - 11.57 Uhr
Wofür brauchen wir... (1) Ginger (Pseudonym), 18.02.2007 - 17.32 Uhr

© 2007 Deutschlandradio

LINKS

Sendung im Deutschlandfunk

Europa heute

Montag bis Freitag um 9.10 Uhr

 

Audio

Hörbeiträge: Europa heute

im MP3-Format

 

Podcast

Europa heute für den MP3-Player

Audio on Demand

 

Audio

Hörbeiträge: "Werkstatt Europa"

im MP3-Format


NEUESTE EINTRÄGE

Erz815 (Pseudonym):

UNO kein Friedensgarant
04.06.2007 - 10.20 Uhr


Frieder Schöbel:

Zivile Konfliktbearbeitung | 2
19.02.2007 - 11.57 Uhr


Ginger (Pseudonym):

Wofür brauchen wir | 1
18.02.2007 - 17.32 Uhr


-üg,Pdm (Pseudonym):

Achten wir auf das
12.02.2007 - 12.45 Uhr


-üg,Pdm (Pseudonym):

Wirklicher Frieden liegt
12.02.2007 - 10.43 Uhr


Hartmut Drewes:

Außen- und
01.02.2007 - 15.51 Uhr


In Zusammenarbeit mit

Bertelsmann Stiftung

Bundeszentrale für pol. Bildung - eurotopics

Europa-Glossar

Goethe Institut (Odysseus)

Die Zeit

BRF- Belgisches Fernsehen