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PRO: Hans D. Barbier

Freihandelszone möglichst zügig erweitern

barbier21.jpgDer Publizist war über 30 Jahre Wirtschaftsjournalist und ist heute Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.

Europa - eine Freihandelszone? Damit wäre heute keine politische Debatte mehr zu gewinnen. Sie wäre gar nicht mehr zu führen. Die politische Entwicklung der vergangenen fünfzig Jahre hat sich den Weg zur europäischen Staatlichkeit geschaffen. Das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Es täte "Europa" auch nicht gut, es zu versuchen.

Aber ein paar gute Worte für das Konzept der Freihandelszone darf man einlegen: Wohlstand durch Freiheit und Friede durch Nichtdiskriminierung. Nieder mit den Grenzen: Freiheit für Arbeit, Handel, Finanzströme und die Wahl der Produktionsstandorte. Und dazu der Verzicht auf jede Diskriminierung: keine Zölle auf Güter, die "von draußen" kommen. In der Freihandelszone gibt es nur ein Drinnen. Daher ist es gut, die Freihandelszone möglichst zügig zu erweitern, damit das Draußen kleiner und das Drinnen größer wird. Das tut der Freiheit gut und der Unterschiedslosigkeit der Bewertung von Arbeit, Kapital und unternehmerischem Engagement dient es auch. In der Freihandelszone ist auch politisch das willkommen, was den Menschen auf den Märkten willkommen ist.

Im Europa der zunehmenden Staatlichkeit ist das nicht mehr so einfach und so eindeutig. Wer soll, wer darf dazugehören? Türkei ja? Türkei nein? Warum ja? Warum nein? Wie schützt sich "Europa" vor sozialer Ausbeutung oder billiger Lohnkonkurrenz? In einer Europäischen Union, die nicht vom Wunsch nach einer Verfassung lassen will, sind solche Fragen legitim, vielleicht sogar notwendig. In einer Freihandelszone wären die Türken schon bei uns. Jedenfalls als Partner der Freiheit des Tausches. Und der sind allemal in der Geschichte andere Freiheiten gefolgt.

Europa - eine Freihandelszone? Europa - eine Freihandelszone! Unter liberalen Ökonomen ist das kein Gebilde minderen Ranges. "Die Europäer" haben es anders gewollt: Sie müssen das dürfen - um der Freiheit willen.

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CONTRA: Jacqueline Hénard

Europa besteht nicht nur aus Unternehmen

Henard_02.gifJacqueline Hénard berichtet für den Schweizer "Tages-Anzeiger" aus Paris. Außerdem arbeitet sie dort beim Radiosender France Culture

Die Orientierungslosigkeit in Europa, offenbart durch die gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden, hat mit der unklaren Zielsetzung der Union zu tun. Wer sich von hier aus die Freihandelszone zum Ziel setzt, wählt die kleine, scheinbar einfache Lösung. Er schmiert die EU an ihren ältesten Kontaktpunkten. Das ist nützlich, reicht aber nicht.

Europa besteht schon heute nicht nur aus Unternehmen, Arbeitnehmern und Verbrauchern, sondern auch aus Bürgern. Auf unser aller Reisepässen steht unsere doppelte Zugehörigkeit gedruckt: Zum jeweiligen Heimatstaat und zum übergeordneten Ganzen.

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sind auf so vielen Ebenen miteinander verschachtelt, dass sie eine effiziente Steuerung brauchen – zumal die Politikfelder, die die Bürger  beschäftigen, oft nicht national abzugrenzen sind. Nehmen wir bloß einmal den Verbraucherschutz und die Gesundheitspolitik. Das Reach-Projekt, das im Dezember vom Europa-Parlament verabschiedet worden ist, zwingt die Chemie-Industrie auf unserem Kontinent zur Suche nach möglichst harmlosen Molekülen. Gut, oder? Aus eigener Kraft hätte das die Bundesregierung nie geschafft.

Zweites Beispiel: Die Einwanderungspolitik. Unser kleiner, reicher Kontinent zieht Menschen aus Weltgegenden an, in denen es weniger satt und friedlich zugeht. Da helfen weder Laisser-faire noch  Abschottung. Die Sorge um die innere Sicherheit und die zunehmende Zahl von Protestwählern werden die Mitgliedstaaten auch auf diesem Terrain über kurz oder lang zu einer engeren Zusammenarbeit zwingen. Aus Mangel an politischer Integration geht heute viel Zeit und Energie verloren. Daran kann niemandem gelegen sein - am wenigsten den Ökonomen, die eine Freihandelszone fordern. Die können sie haben, aber die politische Union dazu.

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Kommentare lesen (55)

Freihandelszone? Nicht ohne... (0) Mauro123 (Pseudonym), 04.09.2007 - 12.17 Uhr
schluss mit der gleichmacherei (0) helmut rack , 19.06.2007 - 09.43 Uhr
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